An der frischen Luft sein. In der Regel auf einem schönen, oft gar historischen Platz. Menschen beobachten. Kleine Schwätzchen halten. Körbe statt Tüten. Mit einem Einkaufszettel in der Hand? Oder sich vom jeweiligen Angebot inspirieren lassen? Den Machern die Hand schütteln. Infos von der Quelle. Riechen, kosten, schmecken. Wo bin ich? Auf einem Wochenmarkt natürlich. Die Märkte unserer Region hatte ich hier schon einmal aufgelistet.

Geht man über den Ingolstädter Wochenmarkt fällt ein Anbieter von Gemüse und Obst besonders ins Auge. Er findet sich zur Rückseite des Herzogskasten, zwischen den Käsehändlern Mooser und Winter. Da ist erst einmal die Standgröße. Ich glaube es ist der größte am Platz. Und dann der Warenreichtum. Der Stand quillt an prächtiger Üppigkeit förmlich über. Dabei ist das gesamte Angebot sehr ansprechend und gefällig präsentiert. Und das allerschönste: es ist ein Gärtner aus dem nahe gelegenen Geisenfeld der hier seine vornehmlich – je nach Saison – selbst gezogenen Waren feilbietet. Ich habe Euch zum Stand der Gärtnerei Ziegler geführt.

Ende letzten Jahres, bei einem Stammtisch des Slow Food Conviviums Ingolstadt, kam ich mit Slow Food-Mitglied Klaus Ziegler zum Thema Tomaten tiefer ins Gespräch. Mein dabei gemachter Vorschlag, sein Tomatensortiment 2012 mit einigen alten Sorten zu bereichern, wurde von ihm interessiert vermerkt. Einige Mails später stand bereits vorfreudebreitend fest, dass wir bei einem Besuch der Gärtnerei mit dem Convivium die Ergebnisse dieses Versuchs würden verkosten können. Es wurde Winter, Frühling und Sommer. Anfang August dann begrüßten uns Inge und Klaus Ziegler in ihrem Betrieb. Es war ein sehr herzlicher Empfang! Und sie hatten alles wunderschön vorbereitet:

Die Zieglers stammen aus dem Allgäu – man hört es. In der vierten Generation betrieben sie dort das Gärtnerhandwerk. 1993 übernahmen sie in Geisenfeld den Betrieb der Familie Probst. Diese wiederum gründete hier 1948 ihr Unternehmen. Als wären alle eine große Familie – Frau Emma Probst war ebenfalls anwesend:

Nach einer Erfrischung führte uns Herr Ziegler durch die Gärtnerei. Diese umfasst 12.000 qm. 2.400 qm davon sind unter Glas. Angebaut werden mit großer Sortenvielfalt Tomaten, Bohnen, Auberginen, Gurken, Paprika, Wurzelgemüse, Kräuter und Salate. Eine Spezialität des Hauses sind die Wildkräuter.

Sehr erfreulich ist die in den Gewächshäusern praktizierte Arbeit mit Nützlingen (z. B. Schlupfwespen oder Raubmilben). Damit sind Insektizide hier nicht mehr einsetzbar:

Vom späten Frühling bis zum Herbst können die Zieglers ihr Angebot zu gut 70 % selbst in der Region erzeugen. Im Winter verkehren sich die Zahlen annähernd. Dann wird vom Münchener Großmarkt zugekauft.

Gemäß der Betriebsphilosophie der Gärtnerei soll den Kunden das ganze Jahr über das komplette Angebot an Obst und Gemüse zur Verfügung stehen.

Eine Steilvorlage für den engagierten Slow Foodler zur Diskussion! Hält dieser die Saisonalität doch für ein sehr hohes Gut. Bananen gedeihen bei uns nicht. Es verblieben hier erwünschte Gedanken zu nachhaltiger Bewirtschaftung im Anbauland und Fair Trade. Am Transport kommen wir aber nicht vorbei. Wie auch beim Kakao, beim Pfeffer, beim Tee, beim Kaffee, etc.

Tomaten oder Erdbeeren hingegen wachsen hier. Haben eine Saison. In der sie – die richtige Sorte gewählt – köstlich schmecken. Ich darf dazu aus meinem Post „Erster Spargel 2012“ zitieren: „Was geschieht, wenn Menschen nicht (mehr) saisonal und regional einkaufen, lässt sich sehr beeindruckend in Augenschein nehmen. Ich bin mir sicher, der ein oder andere wird dabei blass. Also: Google Maps einstellen. In die Suchzeile – El Ejido – eingeben. Das ist eine Stadt an der südspanischen Küste in der Provinz Almería. Besser bekannt als “Plastic-city” oder „Mar del Plástico“. Jetzt die Maps-Funktion “Satellit” aktivieren. Was ihr seht ist kein Schnee … viel “Spaß” beim zoomen und entdecken … Es bedarf wohl keiner außergewöhnlichen Fantasie sich vorzustellen, was in der weltweit größten Anbaufläche unter Folie in Sachen Wasserknappheit, Düngung und Pestizideinsatz so abläuft. Hinzu kommen die transportnotwendig eingesetzten Fungizide.“

Das Thema ist mehr als abendfüllend. Soll, darf, muss der Händler seine Kunden erziehen? Wie weit geht ein gegen den Markt stellen betriebswirtschaftlich gut? Was will der Markt 2012 in Ingolstadt eigentlich wirklich? Gehen (Wochenmarkt-)kunden woanders hin wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – ihre gewünschte Ware nicht (mehr) bekommen? Macht Gelegenheit Diebe – kaufen also die Menschen, weil sie das Angebot vor Augen haben? Wie auch immer – die Zieglers machen (auch hier) ihr Ding – sind aber für andere Meinungen offen und diskussionsfreudig. Ich ziehe mich hier auf ein „panta rhei“ zurück.

Nach der erkenntnisreichen Tour steht die angekündigte Verkostung der Tomaten an. Und wieder setzen die Zieglers in Sachen Vorbereitung und Präsentation Zeichen – Respekt! Es wird jetzt richtig tomatig:

Zunächst dürfen wir die acht eigens 2012 angebauten alten Sorten probieren. Darunter waren die Sorten Hungarian Heart (ursprüngl. Herkunft Ungarn) und Feuerwerk (ursprüngl. Herkunft Russland):

Striped Roman (ursprüngl. Herkunft USA) und Persimmon (ursprüngl. Herkunft Russland):

Green Sausage (ursprüngl. Herkunft USA) und Opalka (ursprüngl. Herkunft Polen):

Sowie Azoychka (ursprüngl. Herkunft Russland) und Red Pear (ursprüngl. Herkunft USA):

Feuerwerk und Persimmon waren die eindeutigen Favoriten der Verkostung. Danach versuchten wir die fest im Ziegler-Programm laufenden Sorten. Am Start Tropical F1 und Zebrino F1:

Santorange F1 und Datterini (ursprüngl. Herkunft Sizilien):

Savantas F1 und Corianne F1:

Und zum Schluss Organza F1 und Foose F1:

F1 steht für die erste Generation einer Hybrid-Sorte. Hybride sind vielfach nicht oder nur verringert fertil – der Gärtner muss also im Gegensatz zu samenechten Sorten immer neues Saatgut kaufen.

Klarer Gewinner der zweiten Teststrecke: Datterini.

Nicht genug der vorbildlichen Gastfreundschaft wurde uns zum Abschluss eine sehr zünftige Brotzeit (Schinken, Wurst, selbstgemachte Aufstriche, Käse und verschiedene Brote) aufgetischt. Mit dieser standesgemäßen Nachspeise:

Die Zieglers wollen weiter mit alten Tomatensorten experimentieren. Die größte Sorge die sie hier aber beschäftigt, ist die Optik der Früchte – oder konkreter formuliert – ob der Kunde diese annimmt. Vor die Wahl gestellt – ich nehme Wetten an – ziehen 9 von 10 dem Aussehen den Geschmack vor. Es gilt also neugierig zu machen und probieren zu lassen …

An den Früchten sollt ihr sie erkennen. Bei der Gärtnerei Ziegler nicht schwer. Engagiertes Handwerk in der Region. Klare Empfehlung! Jeden Mittwoch und Samstag von 8-13 Uhr auf dem Ingolstädter Wochenmarkt und jeden Dienstag und Freitag von 8-18 Uhr direkt in der Gärtnerei, Am Fall 7 in Geisenfeld.

Ein Kommentar

  1. Hallo Michael,
    vielen Dank für den sehr ausführlichen und tollen Bericht.
    Für uns war es wirklich eine super schöne Betriebsführung mit sehr engagierten Menschen die Interesse zeigten was wir machen, wie wir`s machen und vor allem auch diskussionsfreudig waren. Es war für uns auch mal schön, nicht nur über den „Ladentisch“ miteinander zu reden.
    Vielen Dank nochmal für Euer zahlreiches Kommen,
    Inge und Klaus Ziegler

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