Gar nicht so selten suche ich in der Mittagszeit die von mir sehr geschätzte Franziskanerkirche auf. Dort finde ich regelmäßig Stille, Erdung und Kraft. Und neuerdings auch Quitten. Bei einem meiner letzten Besuche machte ich eine erstaunliche Entdeckung. Für sie gibt es sicher einen ganz profanen Grund. Wenn man jedoch ein bisserl ins Nachdenken gerät, offenbaren sich auch ganz andere Motive.
Zunächst gilt es aber, sich vor Ort zurechtzufinden. Durch das Mittelschiff geschritten, am Altar angekommen, geht man nach links. Der dortige Seitenaltar zeigt den Erzengel Michael. Die Inschrift „Quis ut Deus“ („Wer ist wie Gott?“) beseitigt jeden Zweifel an seiner Identität. Ganz beiläufig kann ich so endlich mal hier meinen Namenspatron passend in Szene setzen.
Beiläufig – denn wir wenden uns erneut nach links. Und treffen jetzt auf eine Szenerie, die mich als kleiner Bub zuverlässig aufwühlte. Ein sogenannter Kerkerchristus. Jesus bereits mit Dornenkrone – im Vorfeld der Kreuzigung oft (nur) gefesselt dargestellt – findet sich angekettet tatsächlich hinter Gittern.
Zurück zu meinem Besuch, zu meiner Entdeckung. Wie immer fiel mein Blick auf die Zelle. Auf die Jesusfigur. Und dann auf die Türe. Auf das Schloss. Auf das – o f f e n e – Schloss … ich musste lächeln …
So, so. Da hat man doch tatsächlich den Schlüssel verloren. Oder ihn nie bei der Hand, wenn man ihn braucht und deshalb … In solch wunderbarer Umgebung sind mir diese Erklärungen bald zu kümmerlich. Das darf gerne eine Botschaft sein. Ein Versuch: Die lieben Kapuziner haben ihr Möglichstes getan, um an dieser Schlüsselstelle Widerstand zu leisten. Ganz friedlich – versteht sich. Und freilich ohne aus dem großen Rahmen zu fallen. Seht her, wir haben ihn nicht eingesperrt. Und wenn so vorgefunden, ihm wenigstens den Fluchtweg geöffnet. Wohl wissend, dass ihn auch 1000 Schlösser nicht aufhalten würden. Wohl wissend, dass er „sich aus freiem Willen dem Leiden unterwarf“. Eine kleine menschliche Geste. Die durchaus einen göttlichen Funken in sich trägt. Sie haben den Schlüssel nicht verloren. Davon gehe ich ab jetzt aus … Und was freue ich mich auf die Christmette nächste Woche!