Es sind Geschichten wie die folgende, warum es extra prima good eigentlich gibt: Es geht um die Ingolstädter Bäckerei Feigel. Und um eines ihrer Produkte. Den gedeckten Apfelkuchen.

Die Bäckerei gibt es nicht mehr. Am Samstag, den 13. Juni 2009 war ihr letzter Tag. Still und leise ist sie verschwunden. Dabei gab es sie 56 Jahre in der Neuburger Straße. Weit und breit war sie die einzige im alten Westviertel. Bäckermeister Max Feigel senior öffnete 1953 zunächst unter der Hausnummer 25. Zwei Jahre später wurde dann schräg gegenüber das als Bäckerei gebaute – zu erkennen an der besonderen Raumhöhe – Haus Nr. 14 bezogen. Hier blieb sie. Bis zum Schluss.

Mir fällt gerade ein, dass ich schon einmal über eine Bäckerei in Ingolstadt geschrieben habe, die es heute nicht mehr gibt: Die Bäckerei Westenthanner.

Zurück zu den Feigels. Angestellte gab es nie. Feigel senior und seine Frau Magaretha teilten sich die Arbeit. Dann kam ihr Sohn Max Feigel junior dazu. 1977 wurde auch er zum Meister ernannt. 1984 starb der Senior. Mutter und Sohn führten die Bäckerei und den Laden fort. Letzterer wurde in den Jahren stetig um die notwendigsten Lebens- und Haushaltmittel erweitert. Es entstand der klassische Tante-Emma-Laden. Max junior fuhr jahrelang morgens die frischen Semmeln im Viertel aus.

In diesem Viertel, in der Heidemannstraße, wohnten meine Großeltern. Opa Karl und Oma Maria. Beide waren etwas sehr, sehr besonderes für mich. Besonders meine Oma. Für ihre Liebe, Weisheit und Menschlichkeit bin ich unendlich dankbar. Schön, dass das jetzt im ganzen Internet zu lesen ist!

Mit meine ersten Einkaufserlebnisse hatte ich erinnerlich gerade auch in der Bäckerei Feigel. Man sagte was man brauchte und wurde bedient und beraten. War gar nicht schlecht. Heute versuchen Großmärkte sogar noch die Preiserfassung an die Kunden zu delegieren … Im Schaufenster standen immer zwei verschiedene hausgemachte Kuchen. So unspannend der eine – Käsekuchen – so spektakulär, phänomenal gut war der andere – Feigels gedeckter Apfelkuchen! Immer – und meine Oma konnte wunderbar kochen und backen und es gab zuhauf Äpfel aus dem eigenen Garten – kauften wir auch einige Stücke Apfelkuchen. Die Äpfel konnten, weil teigummantelt, nicht austrocknen – vielmehr durchzogen sie mit der Zeit den Teig… das Teil wurde immer besser. Kam praktisch aber selten vor … 🙂

Dem Apfelkuchen blieb ich auch später treu. Beim einen oder anderen Geburtstag bestellte ich einen und tauchte beim Abholen regelmäßig in Kindheitserinnerungen ein. Zur Feier unserer kirchlichen Hochzeit 2006 stand selbstverständlich beim Stirzer in Dietfurt einer auf der Kuchentafel:

Kuchentafel – ganz rechts, DER Apfelkuchen

Nachts um eins begann der Arbeitstag für Max junior in der Backstube. Nachmittags war dann seine Mutter im Laden. Er konnte schlafen. Als sie im hohen Alter ernsthaft erkrankte, ließ sich dieses Modell nicht mehr halten. Feigel junior beschloss deshalb recht bald, den Betrieb zu schließen. Er kümmerte sich um seine Mutter. Im April 2011 verstarb Frau Feigel.

Im Vorbeifahren bemerkte ich eines Tages zufällig, dass es die Bäckerei nicht mehr gibt. Das hat mich einige Zeit beschäftigt. Eine Zeitungsmeldung dazu wäre vielleicht zu viel gewesen. Obwohl. Als die Metzgerei Listl zugemacht hat, gab es auch einen Bericht. Und wenn einer der letzten Tante-Emma-Läden der Stadt für immer schließt ….?

Welches war mein letztes Stück Apfelkuchen? Die letzte Listl-Weiße ist hier dokumentiert. Von meinem Apfelkuchen konnte ich mich also nicht „verabschieden“ … Immer wieder kam es mir zuvor in den Sinn: „Du könntest mal wieder“ – „Au ja! An einem der nächsten Wochenenden vielleicht …“. Hätte ich gewusst … Vorbei.

Kompromiss. Oder besser, das maximal Mögliche: Der Vorsatz entstand, mal nachzusehen was der Feigel jetzt so macht. Vielleicht verrät er mir sein Rezept? Ende August 2011. Ein Anruf. Eine Stunde später macht er mir die Türe auf. Wir sitzen… in der ehemaligen Backstube! Als hätte der Betrieb erst gestern geschlossen.

Wir kommen ins plaudern. Über das Viertel, seine Mutter, meine Großeltern. Er genieße das Leben, sagt Feigel. Die Ruhe, fast Seligkeit die er dabei ausstrahlt, lassen keinen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Aussage aufkommen. Und hin und wieder mache er für sich hier ein Brot – er zeigt dabei auf den alten Backofen. Ich komme auf den Apfelkuchen zu sprechen. Pro Woche habe er immer so zwischen 4 bis 7 von ihnen gemacht. Das Rezept stamme noch vom Vater. Längst habe ich im Kopf die Vorsätze gewechselt! Ich komme aus dem Windschatten: „Was halten Sie davon, noch einmal einen Apfelkuchen zu machen?“ Feigel schaut aus dem Fenster, dann zu mir. „Warum nicht?“ Geschmacklich werde er wahrscheinlich nicht ganz auf der Höhe sein, weil ein Ofen dieser Größe dazu einfach tagein tagaus laufen müsse. Aber er sei dabei. Ich freue mich sehr!!! Zeit zurück drehen. Manchmal gelingt auch das …

Max Feigel junior in seinem seit zwei Jahren geschlossenen Laden

Wir verabreden uns im Oktober, an einem Freitagnachmittag, zum Teig machen. Am Samstagmorgen dann zum Kuchen backen. Meine Oma wäre im Dreieck gesprungen. Sie ist mir in diesen Stunden noch näher als sonst …

Fortsetzung folgt. Hier

5 Kommentare

  1. Author

    Da bist Du jetzt selber Schuld Helga… Du machst bitte ALLE DREI und sagst dann Bescheid, was ICH mitbringen soll – OK?!

  2. Hallo Michael, ich habe auch noch Omas Rezept für ihren fantastischen Mohnkuchen, den Quarkstollen und den Hefestreuselkuchen!

  3. Ich bin sehr auf die Fortsetzung gespannt. Genau wegen dieser Geschichten machen wir doch Slow Food. Ich komme gern aus Nürnberg zum verkosten oder mit backen.

  4. berührend, schon bis jetzt. und dass du die sache in die hand genommen hast, ist einfach schön. bin sehr neugierig, wie euer gemeinsam gebackener geschmeckt hat. und ob dir herr feigel erlaubt hat, das rezept zu verraten… ich würde dich sofort in unsere mahlzeit!-liste aufnehmen, aber da ist leider eine kleine grenze dazwischen 😉

  5. Sehr persönliche Erinnerungen an die Bäckerei Feigel. Bin gespannt auf die Fortsetzung.

    Als alten Westviertler läßt mich das nicht kalt, im Gegenteil Der Feigel war in Kindertagen die einzige relevante Bäckerei im Viertel, ja mehr noch, das gefühlt einzige Lebensmittelgeschäft. Weil eine Wurst und einen Schinken gab es ja auch, und eine Milch. Es gab dort den Prototypen der Sternsemmel. An die Mundart von der Frau Feigel kann ich mich noch gut erinnern, auch an das Wassereis („Zehnerl-Eis“), das wir uns im Sommer täglich gekauft haben, in Stangenform zum Herausschieben oder schmelzen lassen und auszuzeln. Nur die Erinnerung an den gedeckten Apfelkuchen ist wie weggeblasen.

    Eine Zeitungsnachricht wäre vielleicht wirklich nicht angemessen gewesen, als mit der Margaretha Feigel auch die Bäckerei dahin schied. Aber an die Traueranzeige im Donaukurier erinnere ich mich gut, zwischen den Zeilen stand auch „die Bäckerei schließt für immer“. Wobei man sich am Anfang noch kurz gefragt hat, ob der Max jun. vielleicht weiter macht. Tat er nicht, sei ihm vergönnt.

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