Für die Artikel zum Weißkohl und zum Sauerkraut gab es Lob. Auch von Klaus K. und Hans E. Berichte, Fotos, alles extra prima good. Aber eines erregte Widerstand. Eines machte sie sauer. „Kohl.“ Der Gebrauch des Wortes „Kohl.“ Klaus wurde dazu sogar aktiv und überreichte mir einen Literaturauszug. Hans sprach mich gezielt darauf an.

Von Klaus kenne ich das. Lobt jemand in fröhlicher Tafelrunde sein Mahl als „lecker“ verzieht er das Gesicht. Beschreibt ein anderer eine Breze oder die Kruste eines Schweinsbratens als „kross“ ist ihm von Klaus eine Verbalgrätsche sicher!

Die Herren sorgen sich um die bairische Sprache! Genauer um deren Erhalt. Am besten gelingt das wohl durch Förderung ihres Gebrauchs. Und von mir, einem gebürtigen Schanzer, einem Oberbayern, der mit einem Blog auf großer Sendung ist, erwarten sie das im Besonderen …

Zehetner

Ein Grundzustand meines Wesens ist die Empfänglichkeit. Ich habe nicht lange nachdenken müssen und kann es kurz machen: Die beiden haben Recht! Und ich ein Problem. In der Bairischen Sprache bin ich nur bedingt schwindelfrei. Am ausgesetzten Grad wünschte ich mir mehr Trittsicherheit. Das liegt am Stallgeruch. Zu Hause wurde nicht wirklich Bairisch gesprochen. Dem Anliegen aber – der Erhaltung von Kulturgut, Regionalität, (guter) Tradition, landsmannschaftlicher Vielfalt – bin ich bekanntlich gerne – nicht nur in sprachlicher Hinsicht – verpflichtet.

Übrigens. Ich hatte mir bei der  Konzeption des Blogs ursprünglich sogar mal überlegt, ihn „extra prima guad“ zu nennen – dann aber wieder verworfen. Warum er überhaupt extra prima good heißt, steht en passant hier.

Ich schwenke also die weiß-blaue Flagge. Mit Freude. Aber nach meinen Möglichkeiten! Dazu habe ich mich, das Ausgangsthema betreffend, mit den beiden schönen Werken (die hatte ich schon zu Hause!) von Ludwig Zehetner – „Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern“ und „Basst scho! Wörter und Wendungen aus den Dialekten und der regionalen Hochsprache in Altbayern“ zurückgezogen. Ludwig Zehetner, geboren 1939, Dr. phil., Studiendirektor a. D., ist Honorarprofessor für bairische Dialektologie an der Universität Regensburg.

So schaut es aus (Zitate von Zehetner):

„Dieses Wort Kohl hat mit der Bezeichnung der Gemüsepflanzen nichts zu tun, für die fast durchwegs Kraut gilt.“„über die tatsächliche Farbe … kann man streiten, nicht aber darüber, dass die landesübliche Bezeichnung für alle Kohlarten Kraut ist.“

Damit heißt es Blau-, Weiß- und Sauerkraut. Das Rotkraut heißt sogar vornehmlich Blaukraut. Und der Kohlkopf eben Krautkopf oder Krauthäuptl (-häupl).

„Da könnte nun jemand einwenden, dass es auch bei uns Blumenkohl heißt, nicht etwa „Blumenkraut“. Dem ist zu erwidern, dass dieses Gemüse bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Karfiol bezeichnet wurde. Über solche Benennungssperenzien erhaben ist als einzige Kohlsorte der Wirsching“. In Österreich gibt es bis heute Karfiol. Der Rosenkohl (richtige Bezeichnung) heißt in Bayern oft auch Brockerl.

Jetzt habe ich dazu mal beim Landes (Feinsaure Delikatessen), seines Zeichens Urschanzer, auf der Website nachgesehen, wie er seine Produkte bezeichnet … Sehr verwurzelt stellt er ihnen zunächst einmal ein „Schanzer“ voraus. Und ganz korrekt gibt es also „Schanzer Blaukraut“ oder „Schanzer Rote Rüben“. Zehetner noch einmal: „Rote Beete sind Gartenbeete mit rotem Bewuchs!“

Aber was ist denn das? „Schanzer Karottensalat“! Einerseits beruhigt (wenn das einem Urschanzer passiert), aber gleich schon meinem neuen Vorsatz folgend, muss ich hier durchaus besorgt anmerken: Karotten (oder Möhren) gibt es bei uns nicht. Das sind Gelbe Rüben!

Den Artikel habe ich (natürlich) nicht umgeschrieben. Aber in Zukunft gibt es hier keinen Kohl mehr. Klaus und Hans mögen mich (Trittsicherheit!) weiter kritisch begleiten.

5 Kommentare

  1. Ach, Brockerl habe ich auch seit meiner Oma nicht mehr gehört.

  2. Klasse Kommentar des Herrn von Benkel – chapeau ! Wir kennen das ja von unseren nord – und westdeutschen Freunden : Sie nehmen von sich in Anspruch das alleingültige und wahre Hochdeutsch zu sprechen. Diese Hochsprache ist natürlich stark nord/westdeutsch geprägt, die Existenz einer süddeutschen Version von Hochsprache wird oft negiert. Und wehe man kratzt an diesem simplen Weltbild – da ist es gleich aus mit Toleranz und Weltoffenheit, da wird ganz übel verbal um sich gehauen. Und in Aussagen dieses Niveaus ist dann auch, siehe von Benkel, der süddeutsch Trottel nicht weit, der sich nicht verständlich machen kann. Allerdings muss man diesem Beitrag eine humoristische Tiefe zugestehen, die verblüfft : Da wird zur Existenzberündung des Wortes Kohl von Kohlen gesprochen, auf denen man sitzt und/oder die man aus dem Feuer holt – Kohlen als Plural von Kohl – das ist ganz grosses Kino ! Seldom so laughed ! Bitte weiter so, Herr von Benkel !!

  3. Wenn jemanden mit hiesiger sprachlicher und kultureller Provenienz oder einen ambitionierten Amateur bei den Begriffen Karotte (geht ja gerade noch), Möhre, lecker und kross irgendwie ein ungutes Gefühl beschleicht, dann sei ihm / ihr die CD-Reihe „Lecker derbleckt“ von Gerald Huber (BR) empfohlen, sofern nicht ohnehin bereits bekannt. Mit reicher sprachlicher Bebilderung, Leichtigkeit im Vortrag und enormer ethymologischer Sattelfestigkeit wird hier ein Streifzug durch die Sprachgeschichte mit ihrem (logischen 😉 ) Kulminationspunkt bairische Mundart unternommen.

    Schamhaftes Verhalten, gar die Flucht ins vermeintlich Hochdeutsche, ist nicht angezeigt. Wird ja vielfach gleichgesetzt mit Schriftdeutsch. Das gibt es nicht. Vor der geschriebenen kommt die gesprochene Sprache, und die klingt westfälisch oder pfälzisch oder friesisch oder bairisch. Mag hat sich zur allgemeinen Verständlichkeit auch auf eine Konventionssprache geeinigt. Deren Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit mag ja in manchen Bereichen nachvollziehbar sein, aber Dialekt, Mundart, Schlag stehen in der Sprache für Vielfalt und Reichtum, wie regionale Spezialitäten in der Küche. Die McDonaldisierung der Sprache ist schon weit fortgeschritten, da gilt es dem Dialektsterben Einhalt zu gebieten, für alle Dialekte. Weil Sprache nicht nur ein Mittel zum Zweck ist, sondern ein Kulturgut und ein schönes Ding an sich.

    PS. Noch ein Buchtip: die ideale Ergänzung zur Wortkunde von Zehetner ist die Bairische Grammatik von Ludwig Merkle. Bin vor Lachen fast aus dem Bett gefallen.

    PS2: Hochdeutsch ist das Gegenstück zu Niederdeutsch. Hochdeutsch mit Norddeutsch gleichzusetzen, wäre gerade verkehrt. Im Gegensatz zur niederdeutschen Sprachfamilie haben die hochdeutschen Sprachen mit der 2. Lautverschiebung einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht. Sie unterfallen in mitteldeutsche und oberdeutsche Dialekte, wobei Bairisch zu letzteren gehört. Und nicht weiter verwunderlich, Hochdeutsch und Standarddeutsch werden deswegen gleichgesetzt, weil die Standardsprache auf hochdeutschen Dialekten beruht.

  4. Author

    @ Michael von Benkel: Missverständnis. Ich übersetze nichts in Bairische! Kein Krampf. Kein „Knallgas-Treibling“ (rechter Wahn für Motor) und keine „Jahresendflügelfigur“ (linker Wahn für Engel). Informationstechnologie (PC und Internet) kommt vornehmlich aus den USA. Selbstverständlich wimmelt es hier von Englischem. Zu Recht! Ein Computer ist ein Computer (trotz Konrad Zuse). Döner – was denn sonst? Ich versuche (als Bayer) die bairische Bezeichnung („in regionaler Hochsprache“) dort zu gebrauchen wo sie natürlich existiert.

    In Bayern hieß es immer Krautkopf. Warum das in einem Blog, der aus Ingolstadt sendet, ändern? Natürlich ein armer Bayer, der in Hamburg (absichtlich) mit Roten Rüben daher kommt. Und Kohl wo es Kohl ist. Beim Helmut. Bei Wilhelm Busch. Bei Freunden im Emsland. Natürlich angstfrei…

    „Die Welt wird kleiner, warum also nicht auch die sprachliche?“ Da widerspreche ich. Das will ich nicht! Sprache ist wie kaum etwas anderes Ausdruck von Identität und menschlicher Kultur. Ich will deshalb deren Vielfalt erhalten. Wie die biologische Vielfalt. Mit obiger Frage verschwindet diese auch ganz leicht. Warum nicht mit 5 Apfelsorten auskommen? In der Systemgastronomie weltweit den gleichen Geschmack auf dem Plastikteller, weil die Welt kleiner wird?

    Halver Hahn ist der rheinische Ausdruck für ein Roggenbrötchen mit Käse. Ist das nicht schön?

  5. Da wäre ein langjähriger aber sauer wie Kraut, wenn man ihn nicht mehr „Kohl“ nennen würde. Dr. Kraut, soviel Zeit muß sein?
    Und was ist mit dem wunderbaren Wort „Kohlgeruch“? Gibt es tatsächlich „Krautgeruch“?
    „Auf heißen Krauten – oder Kräutern? – sitzen“?
    „Die Kräuter aus dem Feuer holen“?

    Man kann es auch übertreiben.

    Doch, es gibt das Wort „Kohl“. Es stammt zwar aus der Gegend weiter nördlich. Aber wir aklimatisieren englische Worte (Achtung, Sprachblocker: Was ist das bayrische Wort für „Manager“?), französische und auch türkische (bayrisches Wort für „Döner“? Da wäre ich gespannt). Warum also die Angst vor dem norddeutschen? Die Welt wird kleiner, warum also nicht auch die sprachliche? Sich nicht nur im Süden Deutschlands verständlich machen. Oder ordern sie mal rote Rüben in Hannover, man wird Sie für einen Dorfdeppen vom Land, vom südlichen Lande halten. Machen Sie sich nichts vor: Die Rechtschreibreform hat nicht zur Verbesserung der Rechtschreibung beibehalten und der Versuch, bayrisch als Non-plus-ultra der Kommunikation (ein aus dem Lateinischen stammendes Wort) zu verkaufen, ist zum Scheitern verurteilt.
    Das mag ins Kraut schießen.

    Ich sch. drauf.

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