Am Dienstag war ich auf der Wiesn. Also auf dem Oktoberfest in München. Ich bin kein Wiesn-Fanatiker. Aber an einem Wochenanfang, im Altweibersommer, gegen Mittag, eine frische Mass, flanieren, schauen, beobachten, sich langsam in den Abend hineinfesten, ohne Ehrgeiz, aber mit Lebenslust – das möchte ich einmal, vielleicht zweimal im Jahr nicht missen!

Die Oide Wiesn habe ich mir angesehen. Sie ist die Nachfolgerin der historischen Wiesn, die 2010 anlässlich des Wiesnjubiläums “200 Jahre Oktoberfest” erstmals veranstaltet wurde. Respekt! Insbesondere das Volkssänger- und Musikantenzelt “Zur Schönheitskönigin” hat es in sich. Echte bayerische Kulturgutpflege – ein Blick in das Programm und die Linkliste und man weiß sich dort in wirklich guten Händen.

Zurück zur Wiesn. Wie grenzt man eigentlich diese jetzt namentlich gegen die Oide Wiesn ab? Konventionelle? Normale? Ich nenne sie weiter einfach Wiesn.

Zwei Bekenntnisse: Von den sechs großen Münchner Brauereien schlägt mein Herz ohne jeden Zweifel für den Augustiner-Bräu. Und mein Lieblingszelt auf der Wiesn ist das Augustiner-Festzelt. Als einzige Münchner Brauerei liefert der Augustiner noch Holzfässer zum Oktoberfest. Da bin ich Traditionalist und schätze das. Den Inhalt ja eh.

Bei aller Seligkeit nervt mich in diesem Zelt aber jedes Jahr das gleiche. Der Augustiner-Festwirt verkauft seine Hendl-Esser für richtig dumm! Seit Jahren steht dort beim Hendl der wortgleiche Verbraucher-Wirklichkeits-Weichspüler in der Speisekarte. 2011 wie schon 2007. Da habe ich den Text zum ersten Mal „festgehalten“:

wiesn hendl

Die Hendl kommen von Stolle. Stolle ist einer der größten Geflügelverarbeiter Deutschlands. Aus Niedersachen. Das Bundesland ist das Mekka der industriellen Massentierhaltung in unserem Land.

Und jetzt zur Verdummung: „Kontrollierte Qualität“ ist eine vollkommen substanzlose Aussage. Wer definiert was Qualität ist? Wer kontrolliert diese dann? Wann? Wie? Wo? Die Hendl kommen „aus deutschen Landen“. Ja, aus Niedersachsen… „Futter aus eigener Mühle“. Welches Futter? Woher kommt das? Die Mühle gehört jedenfalls Stolle. Und jetzt kommt es dicke. „Aufzucht ohne Tiermehl“. Seit Januar 2001 gilt in Europa ein Tiermehl-Verfütterungsverbot für alle lebensmittelliefernden Tiere! Und noch einmal Werbung mit Selbstverständlichkeiten: „Tiergerechte Aufzucht, selbstverständlich in Bodenhaltung“. Bodenhaltung ist der niedrigste Haltungsstandard bei der Hühnermast! Was soll denn das „selbstverständlich“ hier zum Ausdruck bringen? Käfighaltung gab es „nur“ bei der Legehennenhaltung. Und diese wurde 2008 Gott sei Dank in Deutschland verboten.

Ich bin überzeugt, wir könnten die Welt ohne industrielle Massentierhaltung gut ernähren. Wir sollten damit beginnen nicht so viel wegzuwerfen. Und wir müssen natürlich den Fleischkonsum deutlich reduzieren. Und einiges mehr. Aber die Beantwortung der Frage wie „Leistungsspitzen“ von im Schnitt  500.000 Wiesn-Hendl im Jahr tatsächlich artgerecht und bäuerlich gestemmt werden könnten, stellt eine wirkliche Herausforderung dar. Andererseits wäre das aber schon keine echte „Spitze“, weil ja vorher bekannt. In jedem Fall sollte diese Diskussion geführt werden. Die Wiesn wäre ein ideales Laboratorium, Dinge in Bewegung zu bringen. If you can make it there, you´ll make it anywhere! Die Zeit von tarnen, täuschen und wegdrücken – wie auf der Augustiner-Karte (und mit Sicherheit auch auf Karten anderer Festzelte) – sollte aber vorbei sein. Prost!

2 Kommentare

  1. Author

    @ Hendlbrater: Ich gehe davon aus, dass (leider) alle Wiesn-Hendl – auch auf der Oidn Wiesn – aus der Massentierhaltung kommen. Andere Infos sind herzlich willkommen!

  2. Und was glaubst wo die Hendl auf der oid´n wies´n herkommen????
    Von einem alten ( Oid´n) Bauern.
    Ich durfte mich in meiner Studienzeit zum vet. Med. zu einem Praktikum bei Stolle aufhalten dort wird die Futtermittelgewinnung noch hochgehalten und der Tierschutz
    im gegensatz zu Frainchrise Betrieben wie Wiesenhof.
    Ich weis nicht wo du deine Erkenntnisse herhast aber sicher nicht selbst gesehen.

    PS. bin inzwischen Promovierter Tierarzt und immer noch Hendlbrater auf der Wies´n
    weils so a Gaudi is

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