Frauenkirchen liegt auf der Ostseite des Neusiedler Sees. Das Wahrzeichen des Städtchens ist die Basilika Mariä Geburt. Ihre Front ziert die Etiketten der Flaschen des Weinguts Umathum, St. Andräer Straße 7, 7132 Frauenkirchen, meinem Ziel.

Glück muss man haben! Dort angekommen, teilt man mir mit, dass der Meister justament eine Führung begonnen hat. Vielleicht war es mein ausgesprochen breites Lächeln – in wenigen Minuten war ich jedenfalls Teil einer kleinen Gruppe. Gemeinsam lauschen wir zwischen Zweigeltreben den sehr engagierten Ausführungen von Josef Umathum. Da es recht kühl war, ging ich noch einmal kurz zum Auto und holte mir eine Jacke. Zurück, lachte mich der Chef an und äußerte die gehabte Befürchtung, mich würde das wohl nicht interessieren. Wenn der wüsste!

Rebenzucht, Sortenwahl, Genetik, Bodenbearbeitung (hier wird nach biodynamischen Richtlinien von Demeter gearbeitet), Schnitt, Ernte, Mikroklimata des Pannonischen Beckens – das volle Programm. Wie schön! Umathums verbindliche Art gefällt mir gut. Blaue, hellwache Augen. Lachfalten für drei. Ruhe, Gelassenheit ausstrahlend. Trotzdem voller Präsenz.  Das Selbstverständnis eines Menschen der weiß was er tut. Ein Tiefwurzler. Wir gehen in den Keller. In das Fasslager.

Der Verkostungsraum ist vorbereitet. Auch für mich ist gedeckt. Das gesamte Sortiment ist am Start und wird in Bewegung gesetzt. Ich behalte u. a., dass die östliche Seeseite idealerweise mit schneller reifenden Sorten (z. B. Zweigelt, St. Laurent) bestückt werden sollte, wohingegen das Westufer den klimatischen Anforderungen des Blaufränkisch mehr Rechnung trägt. Umathum tanzt hüben (z. B. Ried Hallebühl – Zweigelt) wie drüben (z. B. Weinberg Kirschgarten/Jois – Blaufränkisch).

Mein Flow geleitet mich über den Verkaufsraum zum Kofferraum. Herr Umathum – lieben Dank! In der Basilika entzünde ich noch eine Kerze. Ein weiterer Wein hat jetzt ein Gesicht. Mir geht es gut.

Ebenfalls in Frauenkirchen – was für ein gesegneter Ort – findet sich der Betrieb von Erich Stekovics, Schäferhof 13. Der studierte Theologe ist ein Biodiversitätsfetischist! Vor Ort baut er (ausschließlich biologisch) auf über 30 Hektar in Vergessenheit geratene Obst- und Gemüsesorten an. Und er hat eine Schwäche für Gänse.

Seine Kernkompetenz ist aber die Tomate. Diese heißt – und hat hier eindeutig den schöneren Namen – in Österreich Paradeiser. Und jetzt festhalten: Stekovics kultiviert davon 3.200 (!) Sorten – die weltweit größte Sammlung dieser Art.

Kürzlich hat er dazu ein beachtliches Buch  – „Altlas der erlesenen Paradeiser“ (Verlag Löwenzahn) – geschrieben. Beim Schmökern darin mache ich Bekanntschaft mit den Sorten Zahnrad, Weiss Abreifende, Tigerette, Teton de Venus, Schwarze Kubanische, Schlesische Himbeere, Rheinlands Ruhm, Orange Banane, Noire Charbonneuse, New Sun, Marktwunder, König Humbertus, Justus Zuckersüss, Japanische Trüffel, Ivory Egg, Grünes Zebra, Feuerwerk, Dattelwein, Cream Sausage, Bernsteinpokal oder Andenhorn. Ihre namenlosen Discounter-Mutanten aus spanischen oder holländischen Plastikmeeren würden bei Fähigkeit erröten …

Vor Ort kann man vollreife Früchte, ganze Pflanzen oder Veredeltes im Glas kaufen. Und es gibt Führungen (3,5 Stunden!) durch die Kulturen – mit Stekovics persönlich. Letztere war für den Tag bereits hoffnungslos ausgebucht. Den Chef habe ich kurz gesehen. Er war im Gespräch und dann leider bei einem Termin. Seine Frau verriet mir, dass der Betrieb beim Slow Food „Terra Madre“ Markt vom 13. bis 15. Oktober 2011 in Wien vertreten sein wird. Bei Erni Daller, seiner sehr sympathischen Schwester, konnte ich verschiedene Köstlichkeiten im Glas probieren. Ich bat sie um ein Foto mit ihrem Lieblingsprodukt. Sie entschied sich für ein Glas „Mieze Schindler“ – eine hocharomatische Erdbeere.

Selbstredend musste ich vor der Weiterfahrt den Kofferraum öffnen… In Frauenkirchen war ich das erste, nicht das letzte Mal. Allein schon wegen der ausstehenden Paradeiser-Führung. Und dem Stekovics muss ich einmal die Hand geben. Respekt was der Mann da auf die Beine gestellt hat!

Wien/Burgenland (6): Hier

5 Kommentare

  1. und recht hat er der herr stekovics 😉
    den normalen geschmacklosen einheitsbrei braucht man nun wirklich nicht

  2. Szene im Verkaufsraum Stekovics:

    Ich zu Frau Stekovics: Grüß Gott ich hätte gerne eine Schale „normale“ rote Salat Paradeiser bitte
    Herr Stekovics mit forscher Stimme aus dem Hintergrund: Wenn´s „normale“ Paradeiser wollen müssn´s zum Billa gehn! Sowas hama bei uns ned!
    Ich: …Sprachlos

  3. genau, dann gemma in die dankbarkeit. guter plan.

  4. Author

    Wenn sich das zusammen ausgehen würde katha – wäre sehr schön! Und dann zum Josef Lentsch ins Wirtshaus zur Dankbarkeit… 2011 nimmer…

  5. stekovics musst du nicht nur die hand geben, sondern vor allem mit ihm und bei ihm wirklich paradeiser verkosten. das vergisst man nimmermehr, weil die vielfalt auf den gar nicht schön aussehenden feldern unpackbar ist. meines wissens nach bewässert er nicht, auch deshalb haben seine paradeiser so einen konzentrierten, intensiven geschmack. ich würd‘ agratt nochmal mitmachen. bei mir ist’s viele jahre her. das wird aber wohl erst nächstes jahr was, oder?

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