Elf Tests liegen jetzt hinter mir (der bisher letzte hier). Ausblick: Vier Metzgereien in Ingolstadt habe ich für den regulären Test noch auf der Liste. Dazu ein „Wackelkandidat“, zwei geplante Spezialtests, ein Sondertest in München (mit zwei Kandidaten) und einer in Neumarkt. Im Übrigen bin ich mir noch nicht sicher, was ich zum Abschluss des regulären Tests mache. Vielleicht lade ich einige Weißwurstfreaks ein. Die Spitzengruppe könnte gemeinsam einmal verkostet werden. Mal sehen. Es wird jedenfalls hier nachzulesen sein…
Heute (24.09.2011) also Test Nr. 12. Die Metzgerei Pauleser aus Böhmfeld.
Wieder lauert Verwechslungsgefahr. Es gibt noch die Metzgerei Pauleser aus Kasing. Mit ihr habe ich angefangen (Test Nr. 1). Neben dem Hauptgeschäft des heutigen Kandidaten in Böhmfeld gibt es noch fünf Filialen. Zwei davon in Ingolstadt. Ich entschied mich für die Filiale im Donau City Center, Frühlingstraße 35, 85055 Ingolstadt. Hier stand früher der alte Schlachthof Ingolstadt. Herr Michael Pauleser hat mir meine üblichen Begleitfragen zuvor per E-Mail wie folgt beantwortet:
1. Sind in Ihren Weißwürsten künstliche Aromen, Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker? Wenn ja, welche? „Wir verwenden nur Naturgewürze und frische Petersilie. Glutamat ist, wenn auch in sehr geringer Dosierung, enthalten. Wir haben versucht Glutamat wegzulassen bzw. dieses durch Sellerieextrakt zu ersetzen, mussten aber aufgrund zahlreicher Kundenbeschwerden und starken Rückgängen im Abverkauf wieder zum Glutamat zurückkehren.“ Nachfrage padrone: Haben Sie eine fertige, oder stellen Sie eine eigene Gewürzmischung her? Verwendung von Zitrone? „Wir mischen die Rohgewürze für unsere Weißwurst selbst, verwenden frische Zitrone und frische Petersilie.“
2. Wie ist das Mischungsverhältnis – Kalb/Schwein – beim Magerfleischanteil in Ihren Weißwürsten? „Das Mischungsverhältnis ist 50% Kalb, 50% Schwein.“ Nachfrage padrone: Beim Magerfleischanteil – richtig? „Richtig, die jeweiligen 50% beziehen sich auf den Fleisch- bzw. Magerfleischanteil.“
3. Gibt es Ihre Weißen jeden Tag frisch? „Die Weißen werden jeden Tag mindestens 1 x frisch produziert. Zum Ende der Woche sogar 3-4 x täglich.“ Nachfrage padrone: Warum so häufig? „Der 1. Grund für die mehrmalige Produktion ist, dass wir maximal 90 kg pro Kuttervorgang herstellen können, wir zum Ende der Woche jedoch weitaus mehr benötigen und deshalb ohnehin mehrmals produzieren müssen. Der 2. Grund ist, dass wir in der Produktion bewusst kein Lager für fertige Produkte haben. Alles wird quasi „just in time“, d. h. nur die bestellte Menge produziert.“
4. Woher kommen die Tiere, deren Fleisch für Ihre Weißwürste verarbeitet wird? Je genauer Sie die Region/die Lieferanten eingrenzen können, umso hilfreicher wäre das für mich. „Die Schweine stammen aus der direkten Umgebung (80% näher als 10 km um Böhmfeld, 20% 10-20 km um Böhmfeld). Beim Kalbfleisch variiert das leider von 5-50 km. Der Grund dafür ist, dass wir ausschließlich Milchkälber schlachten und diese in der näheren Umgebung leider nicht in ausreichender Stückzahl erhältlich sind.“
5. Wo werden diese Tiere geschlachtet? „Wir schlachten 3 x wöchentlich selbst bei uns im Hauptbetrieb in Böhmfeld.“
Beim Einkaufen frage ich die Verkäuferin ob die Weißen von heute sind. „Nein – die sind vom Freitag.“ Arrgh … Die Würscht ziehen im Topf. Es ist kurz nach Mittag. Ich beschließe Herrn Pauleser anzurufen. Es folgt eine schnelle Aufklärung. Soeben sei eine Lieferung tagesfrischer Weißwürste nach Ingolstadt gegangen, erklärt Michael Pauleser. Natürlich erfolgt jeden Tag zunächst der Abverkauf der Würste vom Vortag. Alles klar. Selbstverständlich.
Ein bisschen kommen wir noch ins Gespräch. Über alte Haustierrassen. Über Slow Food. Pauleser ist interessiert. Auch hier (wie schon bei der Metzgerei Joseph Huber) sehe ich zu gegebener Zeit einer Vertiefung des Gesprächs entgegen.
Zur Praxis: Macht euch nackig!
Marmorierung:
Hell. Petersilie etwas ungleichmäßig verteilt.
Duft:
Homogen nach Brät. Keine Zitrusnote.
Mundgefühl:
Schöner flaumiger Biss.
Geschmack:
Ausgewogen. Würze gut eingebunden.
Preis:
8,50 EUR/kg
Note: 2+
Moritz hatte heute keinen Gusto. Nächster Test
@ S.C.: Und jetzt? Was will uns der Schreiber damit GENAU sagen?
Nirgends wird mehr gelogen als bei Weißwürsten !!!!!!!!
Vielen Dank für die ausführliche Antwort ! Nachdem alle der von Ihnen getesteten (und befragten) Metzger Zitrone in irgendeiner Form an die Würste geben, man dies aber nicht schmeckt, stellt sich mir die Frage, weshalb sie dies überhaupt tun – klar, weil’s halt dran gehört. Aber werden denn die eigenen Würste dann gar nicht mehr verkostet, ggfs. verbessert? (Oder die Zitronenzugabe halt weggelassen, weil’s eben Geschmackssache ist.) Ist das wurscht (sorry), weil dem Kunden ein achtsamer Geschmacksinn gar nicht mehr zugetraut wird, weil man mit Kunden wie Ihnen, lieber Padrone, ohnehin nicht rechnet (und kalkuliert). Wäre vll. mal eine interessante Nachfrage, aufgehängt an der Zitrone.
Die Toni
Hallo Toni. Eine gescheite Frage! Erfunden wurde die Wurst in München. Traditionell ist dort die Zitrone ein Rezeptbestandteil. Richtig gemacht, riecht eine Weißwurst nicht, sie duftet. Richtig gemacht ist sie eine sehr feine, filigrane Speise. Das fängt beim Duft an. Im Optimum findet man hier eine Mischung aus Kalbsbrät, Petersilie (weil zerkleinert), Gewürznoten (nur ganz leicht) und eben ein Hauch von Zitrus. Letzter mit hoher Wahrscheinlichkeit dann, wenn frischer Schalenabrieb zugegeben wurde. Und so war das von Beginn an auch, da Extrakte oder Pulver (wie in jeder industriellen Fertigmischung für die Metzger) noch gar nicht existierten. Die Schale muss natürlich unbehandelt sein (setzt heute damit eigentlich Bio voraus). Und spätestens jetzt sind wir voll in der Preisdiskussion… Richtig. Bei allen bisherigen Tests (12 Stück) habe ich keine Zitrusnote wahrnehmen können. Die Hoffnung stirbt zuletzt… Für mich gehört sie zur perfekten Weißwurst (was den Geschmack angeht – Regionalität, Tierrassen und deren Haltung, Zusatzstoffe bei aller Wechselwirkung, einmal ausgeklammert) einfach dazu. Aber das ist Geschmackssache!
Lieber Padrone, mich würde eins interessieren: weshalb legen Sie Wert auf die Zitrusnote ? Wenn ich das richtig verfolgt habe, war eine solche bei keinem einzigen Ihrer Tests erkennbar – das ließe doch evtl. den Rückschluss zu, dass eine solche nicht typisch ist ? Ist das Ihre persönliche Vorliebe oder ist das wie bei unseren schwäbischen Brezeln: die Lauge ist seltenst noch schmeckbar, nur noch braune Farbe, gehört aber traditionell an sich dazu.
Die Toni
(selbe Profession, selbe Passion)